Die Abseitsfalle

Die Abseitsfalle

 

Die Abseitsfalle

 

Bürgerbefragung als Disziplinierungsversuch?

Die Große Koalition aus SPD und CDU im Bissendorfer Gemeinderat möchte gerne die Bürger über eine zukünftige Nutzung des Natberger Felds als Gewerbefläche befragen und diese Befragung an die Bundestagswahl im September knüpfen. Begründet wird dieser Antrag mit der Behauptung, dass die Gegner einer gewerblichen Nutzung nur eine “kleine örtliche Gruppe individuell Betroffener“ seien, die mit ihrem Protest das allgemeine Wohlergehen der Gemeinde aufs Spiel setzten.

Dass die beiden Parteien ein Problem mit dem Natberger Protest haben, ist nicht neu. Die CDU tat sich von Anfang an sehr schwer, den Ärger der Betroffenen zu verstehen, setzte sich damals sehr für die Spedition Koch ein und wurde bei der Kommunalwahl 2011 prompt abgewählt. Die SPD war zwar anfangs schlauer und halbierte die Fläche, verdoppelte aber ihr Engagement dafür und geriet im März 2013 über die Aussage der Bürgerinitiative, notfalls auf die juristische Durchsetzung der Anwohnerrechte zu bestehen, so heftig in Harnisch, dass sie empört ihre Zählgemeinschaft im Rat mit UWB und Grüne aufkündigte. Seitdem nehmen die verbalen Attacken gegen Bürgerinitiative und Grüne nicht ab.

Jedoch, eine Bürgerbefragung würde an den Anwohnerrechten gar nichts ändern – sie darf an Bürgerrechten auch gar nichts ändern. Als Bürger verlässliche Rechte zu haben und sie ggf. einklagen zu können, ist ein hohes Gut und nennt sich „Rechtsstaat“. Selbst wenn es nur eine einzige Person wäre, deren Rechte verletzt würden, ändert das überhaupt nichts an diesen Rechten. Wenn SPD und CDU das verwerflich finden, finden wir das verwerflich.

Also kann eine Bürgerbefragung das Problem nicht lösen, das die beiden Parteien mit der Bürgerinitiative haben.

Wenn es aber nicht darum geht, worum geht es dann?

Es geht nach wie vor darum, eine gewerbliche Nutzung des Natberger Felds auch gegen den Protest der Betroffenen durchzudrücken, und weil der dazu bisher ausgiebig genutzte Joker – die Instrumentalisierung der Firma Solarlux – plötzlich ausgefallen ist, stellen die beiden Parteien nun die Abseitsfalle auf.

Abseitsfalle bedeutet: wenn man die Rechte der Gegner schon nicht beschneiden kann, versucht man zumindest, sie daran zu hindern, sie einzusetzen. Die Bürgerinitiative soll ins Abseits gestellt werden; es soll eine Situation geschaffen werden, in der es Mut erfordert, seine Rechte einzufordern. Noch mehr Mut als schon gewöhnlich.

Dazu wird die BI verunglimpft. So wird ihr die Schuld an dem Weggang der Firma Solarlux in die Schuhe geschoben. Das ist zum einen unwahr – die BI hat für den Erhalt der Firma in Bissendorf mehrere konstruktive Vorschläge gemacht – und widerspricht gleichzeitig der eigenen Argumentation, denn wie sollte eine “kleine örtliche Gruppe individuell Betroffener“ so viel Kraft aufbringen, dass sie „ca. 400 Arbeitsplätze, erhebliche Steuereinnahmen und vieles mehr“ bewegen kann? [1]

Zweitens wird mit einer Beeinträchtigung des Allgemeinwohls gedroht, wenn das Natberger Feld nicht bebaut würde. Dabei wird übersehen, dass Bissendorf als attraktiver Wohnstandort mit dem daraus resultierenden Einkommenssteueranteil eine durchaus verlässlichere Finanzquelle hat, als die konjunktur- und investitionsabhängige Gewerbesteuer. Und es wird übergangen, dass inzwischen zwei weitere Gewerbeflächen entstanden sind (für die Firmen Runge [2] und Brinkhege nebst Erweiterungsflächen sowie Platz für weitere), und dass die jetzigen Flächen der Firma Solarlux in Zukunft für eine weitere gewerbliche Nutzung zur Verfügung stehen.

Drittens wird mit dem Ortsteildenken spekuliert. Verschiedene Gebietsreformen haben aus ehemals selbständigen Gemeinden ein administratives Gebilde namens „Bissendorf“ geschaffen, aber die Einheit, mit der sich die Bewohner identifizieren, sind die Ortsteile geblieben. Mit diesem lokalen Kirchturmdenken kalkuliert der Antrag und benutzt damit genau die Strategie (lokaler Egoismus), die er der Bürgerinitiative vorwirft.

Viertens wird mit der Verknüpfung mit den Bundestagswahlen die Bürgerbefragung politisch aufgeladen. Eine Politisierung erschwert die sachgerechte Bearbeitung der Befragung. Daher wird die Verknüpfung einer Bürgerbefragung mit einer Wahl nicht nur von uns als kritisch angesehen.[3]

Insgesamt scheint uns daher dieser Antrag als eher ein Mittel zur Disziplinierung widerspenstiger Bürger gedacht, als ein tatsächlich offenes Verfahren zur Feststellung des Bürgerwillens zu sein.

 

Trotzdem begrüßen wir eine Bürgerbefragung. Wir befürchten zwar, dass es schwierig sein wird, sie offen und fair durchzuführen, weil sie einem Denkfehler entsprungen ist und schon im Vorfeld mit unfairen Mitteln torpediert wird, aber wir denken auch, dass die Bissendorfer Bürger das durchschauen und sich eine eigene Meinung bilden werden.

Wir würden es aber für erheblich sinnvoller halten, wenn schon eine Bürgerbefragung durchgeführt werden soll, tatsächlich auch die grundsätzliche Meinung der Bürger zur zukünftigen Entwicklung ihres Ortes abzufragen, statt lediglich einen einzigen Standort zur Disposition anzubieten und die grundlegenden Fragen weiter unter sich ausmachen zu wollen.

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[1] Wenn man schon Spekulationen über den Weggang der Firma anstellen möchte, hier z.B. der Gewerbesteuerhebesatz für Bissendorf in % und im Vergleich dazu der von Melle.

Bissendorf:

1983 = 300

1988 = 305

1997 = 315

1999 = 325

2004 = 345

2007 = 360

2013 = 380

Gewerbesteuerhebesatz für Melle = 345

 

[2] Übrigens eine der Flächen, die die Bürgerinitiative als möglichen Standort für die Firma Solarlux ins Spiel gebracht hatte.

[3] Z.B. bei wikipedia.de