Die Windrichtungsanzeiger (17.6.10)

Die Windrichtungsanzeiger (17.6.10)

 

Peter Pechmann

 

Die Windrichtungsanzeiger

 

Bericht von der Bissendorfer Ratssitzung vom 17. Juni 2010

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

 

in unregelmäßigen Abständen finden in Deutschlands Kommunen Treffen von Personen statt, die sich Kommunalpolitiker nennen. Das, was sie dann machen, nennt sich Kommunalpolitik. Diese Treffen finden in den meisten Fällen im Verborgenen statt, manchmal sind sie aber auch öffentlich. Es ist uns gelungen, unseren Reporter Harry Kirsch in eine solche öffentliche Kommunalpolitikveranstaltung der Gemeinde Bissendorf einzuschleusen.

 

 

Harry, wie sieht es aus in Bissendorf? Geht es wieder hoch her, so wie bei der letzten Veranstaltung im Februar?

 

Hallo, hier spricht Harry Kirsch aus der Aula des Bissendorfer Schulzentrums. Nein es gibt keinen Tumult, alles ist ruhig, was aber wohl an der geringen Menge der Beteiligten liegt. Die letzte Sitzung waren es ca. 500 Menschen, jetzt sehe ich vielleicht 50. An der Veranstaltungsleitung kann es nicht liegen, sie wird vom Sitzungsleiter in gewohnt charmanter Form geführt, der im Gegensatz zur letzten Bauausschusssitzung diesmal sogar nicht mit dem Rücken zum Publikum sitzt. An der Thematik eigentlich auch nicht, denn es geht im Prinzip immer noch um das gleiche Thema, das im Februar die Gemüter so heiß werden ließ.

 

 

Ja, Harry, wenn sich eigentlich nichts geändert hat, warum gibt es denn heute keinen Tumult?

 

Nun, auf diesen öffentlichen Sitzungen wird traditionell das verkündet, was die Politiker vorher unter Ausschluss der Öffentlichkeit bereits untereinander abgemacht haben. Im Februar waren sie damit anscheinend noch nicht ganz fertig gewesen und haben die Auseinandersetzung in die Sitzung getragen. Das hat dann den Tumult ermöglicht. Daraus hat man inzwischen gelernt und nun alles vorher ganz genau abgeklärt. Außerdem hat man dem damaligen Projekt, an dem sich die Gemüter erhitzt hatten, die Schärfe genommen. Damals wie heute geht es um den Umbau der Gemeinde zu einem großen Industriestandort. Damals wollte man auch gleich den zweiten mit dem ersten Schritt verbinden und einen großen Investor dort ansiedeln. Damit hat man den Bürgern aber zugleich schön anschaulich gemacht, wie dieser Umbau konkret aussehen wird und welche Folgen das für sie haben wird. Das hat viele Menschen verschreckt. Heute ist man schlauer vorgegangen und betonte, dass sich für die nächste Zeit überhaupt gar nichts ändern wird. Man wolle nur mal gucken und das sei doch schließlich nicht verboten, oder?

 

 

Hm, aber gegen gucken bzw. prüfen ist doch wirklich nichts einzuwenden.

 

Nein, das ist ja gerade der Trick, mit dem man den Protest ausgehebelt hat. Zwar haben die Gegner ins Feld gebracht, dass das immerhin der erste Schritt auf dem Weg zur Industrialisierung der Region sei, dass dieses „Gucken“ ganz schön teuer sei, und dass es eigentlich gar keinen Grund dafür gebe, weil es für eine behutsame Entwicklung des Ortes genügend andere Flächen gebe. Aber sie sind damit nicht weit gekommen.

 

 

Also hat es doch Proteste gegeben, verlief die Veranstaltung also doch nicht so harmonisch?

 

Ja sicher gab es Einwände vom Publikum, und es gibt drei bis vier Politiker, die aus der Reihe tanzen, aber – wie schon gesagt – das hat die große Menge der anderen Politiker nicht gestört. Die hatten sich festgelegt und waren für Einsprüche und Bedenken nicht zu erreichen. Wobei man den Damen und Herren der SPD schon noch ansehen konnte, dass es ihnen etwas schwerer fiel als den anderen Fraktionen. Was aber auch verständlich ist, weil sie noch im Februar dieses Jahres das Projekt vehement abgelehnt hatten, was ihnen von den Gegnern auch genüsslich unter die Nase gerieben wurde. Es wurde der SPD vorgeworfen, ihr Fähnchen nach dem Winde zu drehen und dem Druck des Landkreises und anderen Stellen nachgegeben zu haben.

 

 

Die SPD hat ihre Ablehnung gegen das Projekt also aufgegeben? Womit begründet sie diesen Kurswechsel?

 

Ganz einfach, indem sie ihn ignoriert. Sie behauptet, schon immer für eine stärkere Industrialisierung der Region gewesen zu sein, nur habe ihr der damalige Investor, die Spedition Koch nicht gefallen. Man wolle keine Großspedition, sondern viele kleine Unternehmer ansiedeln und eine kleinteilige Bebauung erreichen. Das solle dann auch amtlich festgelegt werden, wenn der Flächennutzungsplan geändert werde. Dass solche Einschränkungen eines so großen Industrie- oder Gewerbegebietes später gar nicht durchsetzbar sind, weil diese großen Flächen ja gerade für große Unternehmen geplant werden und nicht für kleine, wurde ebenfalls ignoriert. Die SPD hat eigentlich alles ignoriert, bis auf die Vorwürfe, sie sei gewerbefeindlich.

 

 

Ja, danke Harry, für diese Einschätzung. Gab es sonst noch Interessantes auf der Sitzung?

 

Wenig. Wie immer verließ Kommunalpolitiker Daniel Nolte vorzeitig den Raum um auf sich aufmerksam zu machen. Weil es ein warmer Tag war, konnte er sich nicht wie gewohnt durch seinen Kaschmirmantel in Szene setzen und legte stattdessen eine Slapstikeinlage an der Ausgangstür ein. Dann gab es noch ein soziales Experiment von Frau Anette Wübben, die auf die Problematik von Asylbewerbern bei der Arbeitssuche hinweisen wollte, die diese haben, wenn sie in der Vergangenheit verschiedene Identitäten annehmen mussten. Um zu zeigen, dass man diesen Bewerbern keinen Glauben schenkt, nahm sie selbst verschiedene Identitäten an. Das Experiment gelang, man glaubte ihr nicht.

 

 

Ja, vielen Dank Harry Kirsch aus Bissendorf für diesen informativen Bericht.