Peter Pechmann

Ein ganz bescheidener Unternehmer

Ein ganz bescheidener Unternehmer

 

Mir sind in den letzten Tagen zwei Berichte mit und über den Unternehmersohn Heinrich (Heiner) Koch junior aus Osnabrück aufgefallen. Einmal in der von der Osnabrücker Industrie- und Handelskammer herausgegebenen Zeitschrift Wirtschaft Osnabrück-Emsland  [s.u.] und zweitens in der Gratisfachzeitschrift „für Führungspersönlichkeiten“ Weser-Ems-Manager [s.u.]. Ich habe mich gefragt, wieso mir ausgerechnet jetzt, wo Herr Koch mit seiner Spedition meinen Heimatort okkupieren will, diese Artikel auffallen, denn vorher hatte ich von ihm noch nie etwas gelesen. Ob das mein persönliches Wahrnehmungsproblem oder ob diese plötzliche Medienpräsenz eine Marketingstrategie von Herrn Koch ist, kann ich letztlich nicht beurteilen. Beurteilen will ich aber gerne das, was Herr Koch in den beiden Artikeln sagt, aufschlussreich ist dabei insbesondere das, was er nicht sagt.

 

Im IHK-Heft malt er die wirtschaftliche Situation des Speditionsgewerbes in düsteren Farben. Insbesondere aufgrund der LKW-Maut stehe das mittelständische Transportgewerbe zurzeit „mit dem Rücken zur Wand“. Auf der Bissendorfer Bürgerinformationsveranstaltung am 16. Februar 2009 (also ungefähr zeitgleich mit dem Redaktionsschluss des IHK-Blattes) hatte er unter 300 Zeugen das genaue Gegenteil verkündet: Dem Gewerbe ginge es gut, die LKW-Maut würde „voll von den Kunden übernommen“.

Unabhängig davon, welche Aussage denn nun richtig ist, ist es äußerst interessant, hier einem Unternehmer über die Schulter schauen zu können, wie er seine Interessen durchzusetzen versucht und sich dabei auch nicht vor Widersprüchen scheut. Denn obwohl sich beide Aussagen gegenseitig widersprechen machen sie Sinn, wenn man beachtet, für welche Adressaten sie jeweils gedacht sind:

  • Auf der Bürgerinformationsveranstaltung wollte Herr Koch seine Firma als solventes Unternehmen darstellen, dessen Ansiedlung ein Gewinn für die Gemeinde wäre,
  • in dem IHK-Text fungiert er als Lobbyist, der gegen Beschränkungen einer angeblich notleidenden Branche durch Umwelt- und Besteuerungsauflagen kämpft.

Das bedeutet, dass Herr Koch zu Fragen der Aufrichtigkeit offensichtlich eine flexible Auffassung hat.

[Noch ein Beispiel, das diese Einschätzung stützt: Wollen keine Sonderbehandlung“. In: NOZ vom 7.2.09. Dort  vermeldet Heinrich Koch junior: „200 Fahrzeuge – hin und zurück – würden pro Tag den neuen Standort anfahren“. Auf der Homepage der Spedition Koch International steht hingegen: „Anzahl der täglichen Direktverkehre europaweit: 1.500“. (http://www.koch-international.cargoline-gruppe.de) s. auch Abb. unten]

 

Der Artikel im Weser-Ems-Manager ist noch delikater und haargenau das, was man unter uns Journalisten etwas verächtlich „Hofberichterstattung“ nennt (was aber leider nur wenige Kollegen daran hindert, trotzdem genau damit ihren Lebensunterhalt zu verdienen). Das heißt, es handelt sich um einen Text, der eine Meinung vollkommen ungeprüft weiterleitet und verkauft. Das fängt schon in der Überschrift an: „Happy End nach fünf Jahren Planung – Osnabrücker Spedition Koch kann endlich expandieren“, die definitiv falsch ist, denn auch die Spedition Koch muss die gültigen Gesetze einhalten und das Bauleitverfahren abwarten. Erst nachdem dieses Verfahren mit seinen komplexen Anhörungen abgeschlossen ist, und auch nur, falls darin die Ansiedlung positiv entschieden würde, erst dann dürfte die Spedition Koch tatsächlich in Bissendorf bauen. So ist die Lage nun mal. Die Spedition kann zwar expandieren, keine Frage, aber (noch) nicht in Bissendorf.

Aber diese Hofberichterstattung hat auch ihre Vorteile, lässt sie doch einen durch keinerlei journalistische Intervention gestörten Blick auf die Wünsche und Vorstellungen von Heinrich Koch junior zu. Und die sind wirklich sehr interessant.

Herr Koch macht uns gleich zu Beginn des Artikels klar, dass er ein erfolgreicher Manager ist. Trotz böser (der Text suggeriert sogar bösartige) Widrigkeiten lenkt er das Familienunternehmen souverän durch stürmische Zeiten, bleibt dabei aber immer schön bescheiden (was angesichts von fetten Bonuszahlungen an Top-Manager in der Finanzkrise zurzeit nicht jeder Nicht-Top-Manager so locker von sich behaupten kann) und guckt keiner vergeblichen Investition hinterher (obwohl er sie mehrmals erwähnt), sondern nach vorne. Und da steht das Industriegebiet Natbergen bei Bissendorf am Horizont, bislang eine grüne Wiese, das Herr Koch trotz Proteste aufgebrachter Bürger in naher Zukunft mit seiner Spedition besiedeln will. Sämtliche Hürden scheinen genommen, sogar eine Bürgerinitiative erfolgreich überwunden („doch der Widerstand hat nichts genutzt“) und nachdem man fünf äußerst bittere und finanziell teure Jahre lang vergeblich nach einer Lösung gesucht habe, stehe nun endlich dem „Umzug der Spedition … nichts mehr im Wege“.

Das alles ist Wunschdenken und schlimm genug, dass eine Zeitschrift, deren Zielgruppe alles schlaue Männer sind, so etwas unbesehen abdruckt. Denn wenn wir den Aussagen unserer Bissendorfer Ratsmitglieder glauben wollen, ist mit dem Aufstellungsbeschluss am 26. Februar 2009 ein ergebnisoffenes Verfahren begonnen worden. Und ergebnisoffen heißt, dass das Ergebnis offen ist. Es kann gleichermaßen für oder gegen eine Ansiedlung der Spedition ausfallen, gerade das ist ja der Grund des Verfahrens, das dazu dienen soll, eine Abwägung aller Argumente vorzunehmen, um dann – und zwar genau dann erst – zu einer Entscheidung zu kommen. Wenn Herr Koch jetzt schon jubelt, ist das verdächtig. Entweder will er die öffentliche Meinung und damit auch die Entscheidungsträger beeinflussen, oder er verfügt über Insiderwissen. Das erstere wäre ärgerlich, das zweite auch, außerdem wäre es gesetzwidrig.

Doch bei aller Resignation, was transparente Verfahren angeht, eine Sache verstehe ich trotzdem nicht: Herr Koch bemängelt mehrmals, dass die fünfjährige Suche nach einem geeigneten Standort ihm viele Kosten verursacht habe. Eigentlich dreht sich der ganze Artikel nur um dieses Thema: Die jetzige Situation sei teuer und zudem eine „Zersiedelung der Landschaft“, außerdem habe die Firma bei der Standortsuche viel Geld vergeudet. Umso glücklicher sei man jetzt, endlich das Ziel erreicht zu haben.

Wenn aber die fünf Jahre der Suche so teuer und so bitter gewesen sind, wieso ist die Spedition Koch dann nicht einfach in den interkommunalen Gewerbepark an der A1 gezogen, den die Kreise Osnabrück und Vechta, sowie die Gemeinden Neuenkirchen und Vörden speziell für Speditionen schon vor Jahren eingerichtet haben? Dort hätte die Spedition Koch sofort bauen können, statt teure Gelder für die Suche zu verpulvern. Sogar zu finanziell günstigeren Konditionen als in Bissendorf. Und ohne sich in aller „Bescheidenheit“ bei einer aufgebrachten Bevölkerung einschleimen zu müssen. Gleichzeitig hätte man die bemängelte Zersiedlung damit tatsächlich eingedämmt, statt sie jetzt mit einem vollkommen neuen Industriegebiet auch noch zu fördern.

Ich stehe also einigermaßen perplex vor der Frage, wieso Herr Koch über die teure Standortsuche jammert, aber den durchaus geeigneten Standort an der A1 nicht haben will. Das macht doch alles keinen Sinn!

 

Genau das ist auch schon anderen aufgefallen, und auf diese Frage angesprochen antwortete Herr Koch auf der Bürgerinformationsveranstaltung am 16. Februar, dass er seinen Mitarbeitern keine weiten Arbeitswege zumuten wolle, und dass er die Nähe zum Südkreuz Osnabrück – also die nicht fertiggestellte A33 nach Bielefeld – suche, weil schlichtweg 80% seiner Transporte darüber liefen.

Aber das macht immer noch keinen Sinn, denn 80% seiner Mitarbeiter wohnen im „Osnabrücker Westen bis weit hinein ins Tecklenburger Land“ [NOZ vom 7.2.09: „Endgültiges Aus für Kochs Pläne in Lotte“], hätten also bei einem Firmenstandort im Osten Osnabrücks einen ähnlich weiten, wenn nicht sogar längeren Arbeitsweg als bei einem im Norden. Außerdem bedient die Spedition Koch auch den Markt in Nordeuropa und hat dieses Segment gerade mit einer engen Zusammenarbeit mit skandinavischen Speditionen ausgeweitet, was sie nicht ohne Stolz auf ihrer Homepage verkündet [s.u.]. Und selbst um südliche Ziele anzufahren, würde ein LKW jeweils fast eine Stunde länger brauchen, wenn er die (nicht fertiggestellte) A33 über Bielefeld anstatt die A1 über Dortmund nehmen würde. Jeder Routenplaner kann das bestätigen. Wenn Herr Koch solche Umwege fährt, ist er entweder ein schlechter Spediteur, oder er ist mit seinem 80% Südkreuzverkehr wieder mal nicht ganz ehrlich zu uns gewesen.

Aber warum mogelt Herr Koch lieber seine Fahrstrecken um das Südkreuz Osnabrück herum, anstatt mit seinem Betrieb einfach an die A1 zu ziehen?

Vielleicht plant er ja mehr, als er uns erzählt hat. Dafür gäbe es in der Tat einige Anhaltspunkte, die das Dilemma erklären könnten, und außerdem hatten wir Herrn Koch ja schon mehrmals als flexiblen Charakter kennen gelernt. Der Verdacht, dass er uns nicht die ganze Wahrheit erzählt, ist also gar nicht so abwegig.

  1. Zurzeit geht es der Wirtschaft schlecht, den Speditionen auch, denn es fehlen die zu transportierenden Güter, auch die Spedition Koch hat Kurzarbeit angemeldet. Doch nicht nur aktuell, auch in der langfristigen Tendenz werden Speditionen aufgrund ihrer großen Abhängigkeit vom Erdöl nicht zu den aufsteigenden Branchen gehören (97% aller Transporte beruhen auf Schweröl, Diesel, Benzin oder Kerosin). Trotzdem will Herr Koch beträchtliche Mittel in einen schrumpfenden Markt investieren. Tut er das wirklich oder investiert er diese Mittel (auch) zu anderen Zwecken? Verbirgt sich hinter der Speditionsansiedlung womöglich ein ganz anderes Projekt?
  2. Die Spedition Koch hat den Standort in Bissendorf als „Industriegebiet“ beantragt, womit ihr größere Immissionsrechte und vielfältigere Nutzungsmöglichkeiten zustehen als bei einem einfachen „Gewerbegebiet“. Begründet wurde das mit dem Grad der Versiegelung und mit Gefahrguttransporten. Beide Gründe machen diese Klassifizierung bei einer regulären Nutzung durch eine Spedition mit kurzfristigem Warenumschlag und ausreichender Nachtruhe aber gar nicht notwendig. Das heißt, die Ansiedlung der Spedition könnte auch auf einem reinen „Gewerbegebiet“ erfolgen, ein „Industriegebiet“ ist dazu nicht zwingend erforderlich. Eine Klassifizierung der Flächen als „Industriegebiet“ macht aber andere Nutzungen möglich, z.B. für die Arbeit mit Problemstoffen über die einfache Lagerung hinaus oder für den Betrieb während der Nachtstunden.
  3. Auf dem Gelände wird es notwendigerweise eine Betriebstankstelle für firmeneigene LKWs geben. Die Firma Koch beschäftigt mindestens ebenso viele Subunternehmer wie eigene Fahrzeuge. Dürfen die dort auch tanken? Und andere Fahrzeuge dann nicht?
  4. Es wird ein Bedarf an Übernachtungs- und Verpflegungsmöglichkeiten für Fahrer entstehen, nicht nur für Betriebsangehörige, auch für Subunternehmer oder sonstige Fernfahrer.
  5. Die Spedition Koch betreibt in Osnabrück-Atter einen Autohof. Dieser Autohof gehört nicht zu den Betriebsteilen, die nach Bissendorf umziehen sollen, er soll am jetzigen Standort bestehen bleiben.
  6. An der A1 bei Neuenkirchen/Vörden gibt es bereits einen Autohof.

Das bedeutet, betriebswirtschaftlich gesehen ist ein Fernfahrer, der seine Freizeit gelangweilt auf einem Parkplatz verbringt und Videos guckt, vergeudetes Potenzial. Das hat Herr Koch erkannt und in Osnabrück-Atter einen Autohof errichtet, wo er dieses Potenzial (aus-)nutzt. An der A1 bei Neuenkirchen-Vörden gibt es bereits einen Autohof. An der A30 bei Bissendorf nicht. Vor gar nicht langer Zeit hat der Bissendorfer Rat Anfragen abgelehnt, eine Autobahnraststätte an der A30 zu genehmigen. Es scheint also ein Markt dafür zu bestehen, allerdings keine Zustimmung der Bissendorfer. Würde Herr Koch einen Autohof mit Parkplätzen, Tankstelle, (Schnell-)Restaurant und Übernachtungsmöglichkeiten beantragen, würde der Bissendorfer Rat das daher voraussichtlich abblocken. Wollte Herr Koch hingegen sein bestehendes Betriebsgelände in Bissendorf-Natbergen in Richtung Autohof erweitern, könnte der Rat ihm diese Erweiterungen aufgrund der Klassifizierung des Geländes als Industriegebiet nicht mehr versagen. Herr Koch könnte eine Umnutzung sogar vor Gericht einklagen.

Betrachtet man das oben beschriebene Dilemma aus dieser Perspektive, wird etwas besser verständlich, warum der Standort Neuenkirchen-Vörden für Herrn Koch uninteressant ist, denn das mag zwar ein geeigneter Standort für eine Spedition sein, das Zusatzgeschäft Autohof mit seinen vielfältigen Nebennutzungen ist dort aber schon besetzt. Und in Zeiten schrumpfender Märkte können Zusatzgeschäfte und Nebennutzungen wichtig werden. Ganz wichtig.

So wird dann auch deutlich, warum Herr Koch tatsächlich fünf Jahre lang einen geeigneten Standort gesucht hat: Weil er etwas ganz anderes machen will, als er uns blöden Bissendorfern sagt. Und wenn ich dann noch an die Aussage eines Bissendorfer Ratsmitglieds denke, man müsse schließlich „dem Wort eines Unternehmers vertrauen“, das kann ich einfach gar nicht glauben, so naiv kann doch kein Mensch, insbesondere kein Ratsherr sein, das ist doch …, das kann doch …, … Sehr verehrte Leser, Sie sehen mich fassungslos um Worte ringen. Ich fühle mich derart stumpf übertölpelt, dass ich schon fast bereit bin, den Regenwürmern die Krone der Schöpfung anzubieten und die Positionen mit ihnen zu tauschen, um tief innen im gemütlichen Bauch der Erde das albernen Gepiepse der Amseln nicht mehr hören zu müssen.



IHK Osnabrück (Hg): Wirtschaft Osnabrück-Emsland. 2009, Nr.3, S.10
IHK Osnabrück (Hg): Wirtschaft Osnabrück-Emsland. 2009, Nr.3, S.10
Weser-Ems Manager 2/09, S.10
Weser-Ems Manager 2/09, S.10
Weser-Ems Manager 2/09, S.11
Weser-Ems Manager 2/09, S.11
Homepage der Spedition KOCH v. 12.5.09 um 23:57 Uhr mit Werbung für Fahrten Richtung Norden
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Homepage der Spedition KOCH am 12.5.09 um 23:46 Uhr mit Strukturdaten
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