Ein kurzer Bericht über eine lange Ratssitzung (26.2.10)

Ein kurzer Bericht über eine lange Ratssitzung (26.2.10)

 

Ein kurzer Bericht über eine lange Sitzung (26.2.2010)

 

Gestern, am 25. Februar 2010 tagte der Bissendorfer Gemeinderat. Einziges Thema war die Ansiedlung der Firmen Koch (und Solarlux) in Natbergen und die dafür notwendige Ausweisung eines Industriegebietes. Die Veranstaltung war sehr gut besucht, es waren ca. 500 Menschen da.

Die Einwohnerfragestunde wurde vom Vorsitzenden, Friedrich Meinker (WfB), souverän kurz gehalten. Ein Verlängerungsantrag wurde mit konservativer Mehrheit abgewiesen. Als trotzdem einige Einwohner weiterhin ihr Fragerecht nutzen wollten, kam es zu tumultähnlichen Verhältnissen, die von Sitzungsleiter Meinker nur mit Mühe unter Kontrolle gebracht werden konnten. Über die Leitungsqualitäten von Herrn Meinker kann man unterschiedlicher Meinung sein. Das Vertrauen der Bürger zur Arbeit des Rates hat er jedenfalls erfolgreich verringert.

Die SPD (Ratsherr Ellermann) stellte den Antrag einer Bürgerbefragung zu der Frage: „Wollen Sie, dass in Natbergen eine Spedition angesiedelt wird?“ und begründete dies mit den denkbar knappen Mehrheitsverhältnissen, die zurzeit im Rat herrschten und der Tragweite einer solchen Entscheidung. Daher dürfte die Entscheidung nicht übers Knie gebrochen werden. Die konservative Ratsmehrheit sah in diesem Antrag eine schleichende Entwertung, ja sogar unrechtmäßige Entmündigung des Rates und behauptete, eine rechtliche Bindung an ein Bürgervotum sei gar nicht rechtens. Aber auch als moralische Orientierung ließ sie ein Bürgervotum nicht gelten. Die Abstimmung erfolgte geheim, der Antrag wurde abgelehnt. Auch dies hat das Vertrauen zwischen Rat und Bürger nicht gestärkt.

Die Sprecherin der Grünen/UWG, Marie-Do Guyard, brachte einen Eilantrag ein, wonach der Rat nach Alternativflächen für Solarlux suchen solle. Es seien zwar Flächen untersucht worden, aber lediglich für die Spedition Koch, die weitaus größere Ansprüche stelle. Eine Suche gemäß den Ansprüchen der Fa. Solarlux sei nie erfolgt, trotzdem habe man die Behauptung aufgestellt, ohne Koch könne Solarlux in Bissendorf nicht expandieren. Dies sei unwahr. So sei die im Gemeindeentwicklungsplan bezeichnete Fläche Nr.16 als Erweiterungsfläche für Solarlux durchaus geeignet. Sie beantrage, diese Fläche näher zu prüfen. Auch dieser Antrag wurde abgelehnt.

Hauptpunkte der Sitzung waren die Aufstellungsbeschlüsse zu Flächennutzungs- und Bebauungsplan für die Ansiedlung der Spedition Koch. Nach einem langweiligen Vortrag der Fa. Ingenieurplanung Wallenhorst hielt Hans-Dieter Schleibaum (SPD) ein schönes Referat und mit Kritik nicht hinterm Berg. Er stellte klar, dass die Beteiligung der Fa. Solarlux ein vom Bürgermeister eingefädeltes Manöver sei, dass die Spedition Koch und ihre Unterstützer mehrfach gemogelt hätten, und dass seine konservativen Ratskollegen ganz schön naiv seien. Insgesamt wurde der Ton zwischen den beiden Blöcken nach der Ablehnung der Bürgerbefragung erheblich handfester.

Ratsfrau Guyard (Grüne) sprach über die Kosten dieses Projekts und über die mangelnde Amortisationsrechnung. Die Gemeinde würde sich in ein finanzielles Wagnis stürzen, was gerade in Zeiten knapper Kassen vollkommen unverständlich sei. Der Bürgermeister, der auf der Sitzung ungewöhnlich still war, hatte schon in der knappen Bürgerfragestunde behauptet, dass Kommunen eine solche Rechnung nicht aufzustellen brauchen, weil es um allgemeine Investitionen ginge, die sich nicht immer Stück für Stück gegenrechnen ließen. Frau Guyard kritisierte, dass man den Anwohnern ein Leben am Grenzwert zumute, und das auch noch für einen höchst unsicheren Gewinn.

Die konservative Seite wehrte sich in leicht pikiertem Ton: Man könne ja schließlich nicht hellsehen, müsse daher zusehen, dass man Risiken eingehe, wer nichts unternimmt, hat schon verpennt, der Haushalt müsse saniert werden, wenn die Spedition Koch nicht komme, gingen in Bissendorf die Lichter (beinahe) aus, andere Kommunen investierten doch auch in Gewerbegebiete, man müsse auch an Arbeitsplätze für Hauptschüler denken. O-Ton Ratsherr Henkelmann zu dem Vorwurf, Solarlux sei die Lokomotive für Koch: „Man muss die Flächen, die die wollen, ihnen auch geben“. Die Argumente der Konservativen waren von einer erstaunlichen Naivität und Kritiklosigkeit gegenüber den Investoren, es herrschte eine große Wirtschaftsgläubigkeit vor, die Überzeugungskraft war sehr, sehr dünn, was das Publikum auch durchaus kommentierte.

Ratsherr Thomas Görtz (UWG) stellte fest, dass gerade, wenn man die finanzielle Seite betrachte, die Ansiedlung der Spedition Koch nicht geeignet sei, weil die Branche überhaupt schlecht verdiene (er zitierte Jahresberichte der BAG), besonders krisenanfällig sei und im Umbruch begriffen. Gerade dieser Umbruch bedeute, dass die Fa. Koch entweder A) in Konkurs ginge, B) von anderen Firmen geschluckt, oder C) ihrerseits andere schlucken werde. Alle drei Fälle seien für Bissendorf ungünstig, da Bissendorf A) entweder auf einer Investitionsruine sitzen bleibe, B) einen überregionalen Eigentümer vor die Nase gesetzt bekäme oder C) eine ewig wuchernde Spedition vor seinen Toren hätte.

Die Aufstellungsbeschlüsse wurden mit 16:15 Stimmen beschlossen.

Da nicht alle Eigentümer im Plangebiet bereit sind, ihre Flächen zu verkaufen, wurde ein Umlegungsverfahren beantragt, damit diese Flächen die Planung nicht stören oder aufhalten. Dazu wurden extra zwei Schauspieler einer amerikanischen Anwaltsserie – Entschuldigung – zwei promovierte Schauspieler einer Anwaltsserie aus Hollywood eingeflogen, die uns freundlich mitteilten, wie blöd wir doch sind, weil wir den Unterschied zwischen einer Enteignung und einem Umlegungsverfahren nicht kennen, wo doch beide Begriffe an ganz unterschiedlichen Punkten im Gesetz verankert sind.

Auch das Umlegungsverfahren wurde 16:15 beschlossen.

Nach einer (un-)freundlichen Mahnung von Herrn Ellermann (SPD) an Herrn Buch (CDU) wurde die Sitzung energisch geschlossen.

Die darauf folgende nichtöffentliche Sitzung, bei der es um Vorverträge mit der Spedition Koch geht, wurde von der SPD, Grüne und UWG boykottiert.


Ratssitzung am 25.2.09
Ratssitzung am 25.2.09
Ratssitzung am 25.2.09, Schlangestehen bei der Bürgerfragestunde, am Mikro: Paster Kühme
Ratssitzung am 25.2.09, Schlangestehen bei der Bürgerfragestunde, am Mikro: Paster Kühme
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Rede von SPD-Ratsherr Schleibaum am 25.2.2010
RedeSchleibaumFebruar2010.pdf
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