Leserbrief von Thomas Lehnen zur geplanten Bürgerbefragung

Leserbrief zur Bürgerbefragung

Leserbrief von Thomas Lehnen

 

Jetzt ist es soweit, SPD und CDU wollen die Direkte Demokratie in Bissendorf einführen und über das Natberger Feld eine Bürgerbefragung durchführen lassen. Das ist löblich, aber ein bisschen überraschend kommt das schon.

 

Überraschend, weil die Forderung nicht von der Opposition, sondern von genau den beiden politischen Parteien kommt, die im Rat gemeinsam über eine satte Mehrheit verfügen und daher eigentlich gar keine Befragung brauchen, um ihre Interessen durchzusetzen. Warum aber dann eine Bürgerbefragung, ist das nicht sogar ein Risiko?

 

Auf diese Frage gibt es im Prinzip zwei Antworten. Entweder sind die beiden  Parteien ehrlich daran interessiert, die Stimme der Bürger zu hören (und hoffentlich auch auf sie zu hören), oder sie sind es nicht. Den ersten Fall können wir leider relativ schnell ausschließen. Denn die Große Koalition hatte sich bislang sehr vehement für das geplante Industriegebiet ausgesprochen, und eine Meinungsänderung oder zumindest Meinungsoffenheit ist in dem Antrag nicht zu entnehmen. Im Gegenteil, Ziel der Befragung sei „ein klares Bürgervotum für die Fortführung der Planung“. Um dieses Ziel zu erreichen, wird getrickst und die Bürgerinitiative Schönes Natbergen geschwächt, indem ihr die Schuld für den Weggang der Firma Solarlux in die Schuhe geschoben wird. Doch das ist falsch. Die Firma Solarlux verlässt Bissendorf nach Aussage des Mitinhabers Stefan Holtgreife, weil sich die Verhandlungen in Bissendorf im Kreis gedreht hätten. Die BI hat aber gar nicht verhandelt, sie ist von Verhandlungen ausdrücklich ausgeschlossen worden.

 

Wenn die beiden Parteien also nicht an einer ehrlichen Befragung interessiert sind, welche Ziele verfolgen sie dann damit?

 

Diese Frage können eigentlich nur die Strategen von SPD und CDU beantworten, die sich die Sache ausgedacht haben, aber ein paar nützliche Überlegungen kann der mündige Bürger dazu auch selbst anstellen. Mir sieht das jedenfalls sehr danach aus, dass versucht wird, mit dieser Bürgerbefragung den Protest in Natbergen ein- für allemal ruhig zu stellen. Ein solcher Versuch hätte zudem den Vorteil, nicht wirklich gefährlich für die Parteien zu sein. Denn entweder geht er für sie gut aus (eine Mehrheit spricht sich für eine gewerbliche Nutzung des Natberger Felds aus), womit die BI aus dem Rennen wäre, oder sie geht schlecht aus (Mehrheit gegen eine Bebauung), dann können sich die Parteien aber hinterher damit brüsten, besonders bürgernah agiert zu haben. Also wenig Risiko bei vielen Gewinnmöglichkeiten.

 

Diese Überlegung bringt zwar interessante Einblicke in politisches Denken, bringt uns aber nicht wirklich weiter. Denn es bleibt nach wie vor die Frage offen, die ich mir am Anfang meiner Überlegung gestellt habe: warum will sich die mit einer derartig üppigen Mehrheit ausgestattete Große Koalition überhaupt diese Mühe machen? Das muss sie doch gar nicht, sie kann auch so agieren. Warum also wollen sie ca. 10.000,- € für eine Befragung investieren, obwohl sie die Befragung gar nicht nötig haben?

 

Anders gefragt, warum soll die BI unbedingt aus dem Rennen geworfen werden?

 

Da ergibt sich für mich eigentlich nur eine Antwort. Wenn die BI besiegt ist, dann gibt es keinen Gegner – und kein Halten mehr. Ginge es tatsächlich nur darum, in Natbergen die fraglichen 20 Hektar zu bebauen, für die jetzt der Bebauungsplan aufgestellt wurde, wäre es unlogisch, die BI langfristig ausschalten zu wollen. Denn die wäre dann ja sowieso überflüssig, sobald die Große Koalition ihr Ziel erreicht hätte. Und erreichen könnte sie es locker auch ohne Bürgerbefragung, vor allem, nachdem sie die BI mit falschen Beschuldigungen in die Defensive gedrängt hat.

 

Wenn man aber größere Pläne verfolgt, dann ist es schon ganz nützlich, eine Bürgerbefragung in der Hand und die BI dauerhaft vom Platz gefegt zu haben. Wer will dann noch protestieren, wenn aus 20 wieder 40 Hektar werden? Insbesondere, wenn die Befragung so universell formuliert wird, wie der Antrag vorsieht:

 

„Soll die Planung eines Gewerbegebietes im Natberger Feld weitergeführt werden?“

 

Die Forderung, über Lage und Größe, mögliche Vorteile, Risiken und Nebenwirkungen möglichst neutral zu informieren, wurde in der Ratssitzung abgelehnt. Also bekommen wir eine Befragung, aber keine Informationen dazu. Was soll das denn? So, wie das formuliert ist, erwarten die einen Freibrief von uns, wollen aber nicht sagen, wofür!