Offener Brief an Bürgermeister und Rat der Gemeinde Bissendorf von Herwig Borgstädt (19.3.09)

 

Offener Brief an Bürgermeister und Rat der Gemeinde Bissendorf von Herwig Borgstädt (19.3.09)

 

Offener Brief an den Bürgermeister und den Rat der Gemeinde Bissendorf von Herwig Borgstädt

 

geplantes Gewerbegebiet in Natbergen

 

Sehr geehrter Herr Halfter,

mein Name ist Herwig Borgstädt, von Beruf bin ich Prokurist in einem Wallenhorster Unternehmen und vor ca. zwei Jahren mit meiner Familie in das Neubaugebiet an der Achelriede gezogen. Bei der öffentlichen Ratssitzung war ich persönlich anwesend und möchte Ihnen meine Sichtweise zu dem geplanten Industriegebiet in Natbergen schildern.

Zuerst einmal sind wir nach Bissendorf gezogen wegen der geographischen Nähe zu Osnabrück und der schönen Umgebung (Holte, Zittertal, Natbergen etc.), da wir gerne Fahrrad fahren, Spazieren gehen und Joggen. Kein Argument für Bissendorf waren hingegen mögliche Arbeitsplätze direkt in Bissendorf. Da wir mit unseren neuen Nachbarn einen sehr guten Kontakt pflegen, wird das Thema Industriegebiet natürlich viel diskutiert. Aus diesen Gesprächen kann man deutlich heraushören, dass eigentlich alle wegen der schönen Natur in der Umgebung hierher gezogen sind und nicht wegen möglicher Arbeitsplätze.

Für uns persönlich gehe ich sogar soweit zu sagen, dass wir definitiv NICHT hierher gezogen wären, wenn wir von dem geplanten Industriegebiet gewusst hätten. Die Attraktivität von Bissendorf machen nicht nur bzw. im Besonderen „hard facts“ wie Gewerbe und Arbeitsplätze aus, sondern „soft facts“ wie Landschaft und Erholungsgebiet. Das Kapital Bissendorfs ist eindeutig seine schöne Lage im Grünen als Ausflugs- und Erholungsgebiet sowie als Lebensmittelpunkt derer, die stadtnah, aber eben nicht in der Stadt wohnen möchten.

Trotzdem möchte ich betonen, dass wir und auch die (meisten) anderen Protestler nicht, wie von Ihnen auf der Ratssitzung dargestellt, „Ökoromantiker“ sind, die grundsätzlich gegen ein neues Gewerbegebiet sind und sich dem Wandel der Zeit verschließen. Aber in der geplanten Art und Weise, an geplanter Ort und Stelle und dem geplanten Unternehmen Koch, gibt es sehr viele Gründe, die dagegen sprechen, und nur wenige dafür.

In der Diskussion wurden immer wieder die Gewerbesteuereinnahmen und die Schaffung neuer Arbeitsplätze als Vorteile genannt. Hier wäre es sehr interessant, und ich würde mich daher über eine Rückantwort freuen, in welcher Höhe Sie mit Gewerbesteuern und mit wie vielen neuen Arbeitsplätzen Sie in Bissendorf rechnen. Aus meiner Sicht werden überhaupt keine Arbeitsplätze entstehen. Im Unternehmen Koch insgesamt nicht, da ja von einer Standortzusammenführung von 16 auf 5 die Rede ist, und in Bissendorf selber wohl auch überhaupt nicht, da ja bestehende Standorte nur verlagert werden und somit die bestehenden Mitarbeiter übernommen werden. Bzgl. der Gewerbesteuer ist aus meiner Sicht auch nicht mit hohen Einnahmen zu rechnen, da durch Verlustvorträge und Investitionsabschreibungen Koch sicherlich einfallsreich genug sein wird, um diese möglichst minimal zu halten. Wo ist also hier der Vorteil für Bissendorf??? Vor allem: wo ist der GESICHERTE Vorteil für Bissendorf? Gibt es verbindliche Zusagen/Berechnungen?

Demgegenüber stehen viele Argumente, die dagegen sprechen: Verlust von Lebensqualität, unwiederbringliche Zerstörung eines Naherholungsgebietes und Lärmbelästigung, um nur einige zu nennen. In diesem Zusammenhang: Wird die Gemeinde den betroffenen Eigentümern den zu erwartenden Wertverlust Ihrer Grundstücke ersetzen? Wurde in den Planungen Ihrerseits eigentlich berücksichtigt, dass vermutlich viele der Grundstücke im Neubaugebiet am Rosenmühlenbach nicht verkauft werden, weil das mögliche Industriegebiet potentielle Käufer abschrecken werden wird? Zudem werden sicherlich viele bereits hier lebende, betroffene Einwohner (uns eingeschlossen) einen Wegzug ins Auge fassen. In Relation zu den bescheidenen zu erwartenden Gewerbesteuereinnahmen, ist der finanzielle Aspekt für Bissendorf somit kein nennenswerter Vorteil.

Um höhere Gewerbesteuereinnahmen zu generieren, sollten zuerst einmal die bestehenden Gewerbegebiete an der Autobahn und am Eistruper Feld vollständig vergeben/bebaut werden. Auch Solarlux ist als Argument für das Industriegebiet genannt worden. Dies ist für mich aber ein separates Thema und sollte auch als solches behandelt werden.

In Summe sind die Risiken/Nachteile deutlich größer als die unsichereren Vorteile. Die Vielzahl der Proteste, Unterschriften und Wortmeldungen zeigen zudem, dass die Mehrheit der Bissendorfer gegen das geplante Industriegebiet ist. Es sollte keine Politik über die Köpfe der Bürger hinweg gemacht werden. Dieses Industriegebiet ist nicht die Zukunft von Bissendorf, es ist im Gegenteil eine Gefahr für selbige. Von daher bitte ich Sie und alle Ratsmitglieder, Ihren Standpunkt zu überdenken und das Industriegebiet nicht weiter zu forcieren. Es wäre im Übrigen kein Zeichen von Schwäche, sondern im Gegenteil ein Zeichen von Größe, Ihre Entscheidung im Sinne Bissendorfs zurevidieren.

Ich möchte Sie bitten, dieses Schreiben auch allen anderen Ratsmitglieder weiterzuleiten.

Vielen Dank.

 

Mit freundlichen Grüßen

Herwig Borgstädt

Königstraße 32

49143 Bissendorf

 

PS: Noch eine kurze persönliche Anmerkung zur Ihrer Rede auf der Ratssitzung: Ihre Beschwerde über das fehlende politische Engagement der Bissendorfer Bürger in der Vergangenheit und Ihre mehr oder minder direkte Ableitung daraus, dass diese daher auch jetzt keine Berechtigung dazu hätten (Zitat: „Wo waren die Bissendorfer Bürger als…“), halte ich für absolut unsachlich und indiskutabel. Dies war für all diejenigen einen Schlag ins Gesicht, die sich seit langem auf anderem als auf politischem Wege für und in der Gemeinde ehrenamtlich engagieren (in der Kirche, in Sportvereinen, in der Feuerwehr u.ä.). Und dies war ebenfalls ein Schlag ins Gesicht derer, die sich aktuell und fair in dieser Angelegenheit engagieren. Man sollte seinem Gegenüber (nicht Gegner) zumindest immer respektvoll entgegentreten, gerade wenn man selbiges (zu Recht) ebenfalls einfordert.