Offener Brief an den Rat der Gemeinde Bissendorf von Carsten Stein (7.3.09)

 

Offener Brief an den Rat der Gemeinde Bissendorf von Carsten Stein (7.3.09)

Offener Brief an den Rat der Gemeinde Bissendorf von Carsten Stein zur Ratssitzung am 26.02.2009

 

Sehr geehrter Herr Halfter,

ich habe die Ratssitzung am 26.02.2009 mit Interesse verfolgt und möchte gerne meine persönlichen Eindrücke kommentieren.

Zunächst zu meiner Person: ich bin seit Dezember 2006 Bissendorfer. Wir, d.h. meine Frau und ich, haben in der Königstrasse / Achelriede ein Haus gebaut und fühlen uns hier sehr wohl. Ich bin in leitender Position angestellt und keiner Partei zugehörig.

Während der öffentlichen Ratssitzung habe ich zum ersten Mal einen „hautnahen“ Eindruck von der kommunalen Arbeit in Bissendorf erhalten. Ich habe Verständnis für die schwierige Situation, der der Gemeinderat ausgesetzt ist. Schließlich ist das Thema „Gewerbegebiet Natbergen“ mit sehr großen Emotionen verbunden und da fällt eine sachliche Diskussion bekanntlich umso schwerer.

Es gab da aber Dinge, die mich sehr beschäftigen. Ich möchte drei Dinge nennen:

 

1) Wortbeitrag des Bürgermeisters

In Ihrer Rede haben Sie die Bürger gefragt, wo sie denn bei all den anderen Gelegenheiten waren, wo es um Mitbestimmung ging. Sie haben den Bürgern nach meinem Verständnis vorgeworfen, sich „erst jetzt zu zeigen, wo es um ein wirklich wichtiges Thema geht“. In den letzten Jahren sei das Interesse an Mitgestaltung eher gering gewesen.

Nun, ich bin der Meinung, den Bürgern muss es freigestellt sein, zu welchen Themen sie sich melden. Wenn es in der Vergangenheit nicht zu Ihrer Zufriedenheit geschehen ist, hat das m.E. zunächst einmal nichts mit dieser Diskussion um Natbergen zu tun. Vielleicht könnte man es auch so deuten, dass die Bürger bislang immer im Grossen und Ganzen zufrieden mit den Entscheidungen waren und diese (auch ohne Mitgestaltung) immer gut mitgetragen haben.

Es ist wichtig und es ist auch ein gutes Recht, dass wir Bürger durch unsere Präsenz zeigen, dass uns das Thema sehr beschäftigt. Ich bin der Auffassung, dass der Bürgermeister – sicher trotz schwierigem Umfeld bei diesem Thema und den von Ihnen erwähnten persönlichen Anfeindungen – den Bürgern, die sich auf den Weg gemacht haben, nicht den Eindruck vermitteln darf: „ihr habt euch früher nicht geäußert, also dürft ihr euch auch heute nicht beschweren“.

Genau dieser Eindruck ist jedoch bei Ihren Ausführungen bei mir entstanden.

 

2) Fragestunde / Antwort von Herrn Ellermann

Während der Fragestunde wurde die Frage nach der Verlegung der Zentrale von der Fa. Koch gestellt. Herr Ellermann hat geantwortet: „Herr Koch habe die Zusicherung gegeben, den Firmensitz nach Bissendorf zu verlegen. Man müsse das Vertrauen in dieses Wort schon aufbringen, ansonsten bräuchte man keine Politik mehr zu machen“.

Entschuldigen Sie meine Offenheit, aber so etwas habe ich nicht erwartet und es hat mich erschreckt. Die ersten Gedanken, die mir in diesem Moment kamen waren: wie blauäugig muss man sein, um in so einem Fall von Vertrauen zu sprechen? Eigenartigerweise ist mir schlagartig das Thema „NOKIA in Bochum“ eingefallen.

Ich denke, wenn Herr Koch seine Absicht ehrlich meint, hat er nichts dagegen, einen umfassenden Vertrag zu unterschreiben, der alle Belange berücksichtigt.

Herr Koch würde es für sein eigenes Unternehmen selbst nie zulassen, wenn ein potentieller Großkunde sagt: „Herr Koch, schaffen Sie schon mal drei zusätzliche LKW an, wir sichern Ihnen die Aufträge zu - Ehrenwort.“ Die Investitionen würden sicher durch einen ausführlichen Vertrag abgesichert.

Meine Meinung und auch Erfahrung: wenn jemand einen Vertrag über eigene Zusagen und klar definierte Absprachen ablehnen würde, ist größte Vorsicht geboten!

Machen Sie den Test. Ich denke, dass die Gemeinde Bissendorf unbedingt auf einen Vertrag mit der Fa. Koch bestehen solle, um die jetzt anstehenden Investitionen abzusichern.

 

3) Redebeitrag von Herrn Henkelmann

Herr Henkelmann hat gesagt: „wenn ich von etwas Ahnung habe, dann sind das Finanzen“, und hat anschließend die starke finanzielle Gesundheit des Unternehmens Koch hervorgehoben, indem er den Bonitätsindex der Creditreform bildhaft mit Schulnoten erklärte.

Nun, jeder weiß: wir befinden uns in einer Phase der Weltkonjunktur, in der niemand in der Lage ist, Prognosen abzugeben. Viele Firmen, die noch vor wenigen Tagen gesund dastanden, kämpfen heute hart ums Überleben.

Wenn die deutsche Wirtschaft tatsächlich wie vorhergesagt um bis zu 3% nachlässt, das Exportgeschäft weiter schwächelt, kann niemand eine Vorhersage tätigen, wo eine Firma in ca. 1-2 Jahren steht.

Genau das ist aber der Zeitpunkt, wo die geplanten Aktivitäten der Fa. Koch (bei ggf. positivem Ausgang aller Prüfungen für das Projekt in Natbergen) große Investitionen tätigen müsste.

Es ist unerheblich, wo die Fa. Koch heute steht. Wichtig ist die wirtschaftliche Lage in der mittleren Zukunft. Ich habe zwar nicht viel Ahnung, aber das Transportwesen hat nur soviel zu transportieren, wie Güter hergestellt bzw. verkauft werden. Wenn das Transportvolumen aufgrund verminderter Wirtschaftsleistung kleiner wird, wird der Wettbewerb unter den Transporteuren erhöht, die Preisaggressivität nimmt zu, die Margen sinken bei gleichen oder höheren Kosten (z.B. Mauterhöhung) usw.

Ich verweise hierzu auch auf den Bericht der heutigen Ausgabe der NOZ, Rubrik Nordwest:

 

-  „...........Mauterhöhung bedroht nach Angaben des Kraftverkehrsgewerbes die Existenz vieler Unternehmen......“

 

-  Niedersachsens Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) assistierte: „Die Belastungsgrenze der Unternehmen des Verkehrsgewerbes ist längst erreicht.“

 

-  GVN-Präsident Adalbert Wandt kritisierte, durch die Erhöhung würden sich die Mautgebühren für die rund 5500 Transporteure in Niedersachsen fast verdoppeln.

 

-  Wandt beklagte zudem, vor allem in der Autoindustrie und deren Zulieferern gingen die Aufträge zurück, katastrophal sei in Niedersachsen auch die Lage in der Stahlindustrie.

 

-  Im gesamten Bundesgebiet ist der schwere Güterverkehr auf den Autobahnen im Januar im Vergleich zum Vorjahresmonat um 18,5% zurückgegangen, so das Kölner Bundesamt für Güterverkehr.

 

Ich kann und möchte keine Einschätzung über die zukünftige Entwicklung der Fa. Koch abgeben. Die Zukunft der wirtschaftlichen Stabilität eines Unternehmens ist aber m.E. in dieser Situation jedoch nicht mit einem einfachen Hinweis auf eine aktuelle Creditreform-Auskunft zu beschreiben.

Vielleicht hat Herr Henkelmann nicht genügend Zeit gehabt, diesen Punkt näher zu beschreiben. Bei mir ist jedoch der Eindruck entstanden, dass Herr Henkelmann die wirtschaftliche Situation der Spedition Koch allein gestützt auf eine aktuelle Creditreform-Auskunft bewertet. Das würde ich für falsch halten.

Diese drei Einzelpunkte sind mir besonders erwähnenswert.

Insgesamt hatte ich den Eindruck, dass die Mehrheit der Ratsmitglieder das Gewerbegebiet unbedingt haben möchte. Ich selbst habe gegen das Gewerbegebiet unterschrieben, weil ich in der Diskussion um das Gewerbegebiet noch zu viele Unsicherheitsfaktoren sehe und das Gebiet für Bissendorf und als Umland von Osnabrück m.E. zu wertvoll ist.

Meine Meinung ist sicher eine von vielen. Ich erhebe nicht den Anspruch, Recht zu haben oder Dinge besser einschätzen zu können. Vielleicht kann ich aber mit meiner geäußerten Meinung ein wenig zu einer hoffentlich letztendlich vernünftigen Entscheidungsfindung beitragen.

Ich habe mir erlaubt, Herrn Günter Korte eine Kopie dieses Briefes zu übermitteln.

 

Mit freundlichem Gruß,

Carsten Stein

 

Königstr. 29

49143 Bissendorf