blankliegende Nerven

Bericht über die Bissendorfer Bauausschusssitzung am 28.11.2019

unsachliche Auseinandersetzung im Rat

Im TOP 4 der Sitzung ging es um die Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 150 „Natberger Feld“. Erstaunlich großen Raum nahmen dabei aber nicht die vorgetragenen Argumente, sondern die Auseinandersetzung um einen kurzen Film ein, den die Familie Drees ins Netz gestellt hatte. Familie Drees betreibt einen landwirtschaftlichen Milchviehbetrieb, fühlt sich von der Gewerbeplanung im Natberger Feld existenziell bedroht und beklagt dieses sehr eindrucksvoll in dem Film.

Der Bauausschussvorsitzende, Ratsherr Schleibaum (SPD), hatte diesen Film in der vorherigen Ausschusssitzung stark kritisiert. Seiner Meinung nach sei die Familie keineswegs existenziell betroffen, denn sie bewirtschafte nur Flächen südlich der Natberger Straße, der Bebauungsplan betreffe aber nur die nördlichen Flächen. Die Familie würde Unwahrheiten verbreiten.

Ratsherr Kanke (Grüne) stellte sich auf die Seite der Familie Drees und argumentierte, die Familie sei sehr wohl betroffen, weil der Flächennutzungsplan weiterhin auch den südlichen Bereich der Fläche 29.1 betreffe. Der Rat habe sich in der Vergangenheit mehrfach für den Erhalt des Dreesschen Betriebs ausgesprochen. Wäre das wirklich ehrlich gemeint, müsse dieser Teil des Flächennutzungsplanes gelöscht werden. Stattdessen versuche man aber diesen Teil der Planung zu verbergen, indem immer nur die nördliche Erweiterungsfläche gezeigt werde, nicht aber die Gesamtfläche, selbst nachdem darauf aufmerksam gemacht worden war. Daher sei die jetzige Planung eine „Mogelpackung“ und Irreführung. Außerdem sei eine weitere Fläche als Sondergebiet für die Umsiedlung der Gärtnerei Haucap der Familie Drees entzogen worden, womit sich der existentielle Druck auf die Familie sogar noch erhöht habe.

Geltungsbereiche der Flächennutzungsplanung 29.1 und des B-Plans Nr. 150
Geltungsbereiche der Flächennutzungsplanung 29.1 und des B-Plans Nr. 150

Die Auseinandersetzung eskalierte. Ratsherr Kanke wurde von Bürgermeister Halfter als „Lügner“ und „unanständig“ beschimpft; er sei doch fachlich gebildet und intelligent genug, um zu erkennen, dass seine Position falsch sei. (Sehr problematische Äußerung und sehr große Rhetorik: Der Bürgermeister formuliert es nicht aus, sondern impliziert, dass Ratsherr Kanke nur aus Trotz oder sonstigen niederen Beweggründen heraus argumentiert, seine Argumente also nicht ernst zu nehmen seien.)

Nachdem dieser Kurs vorgegeben wurde, führte Ratsherr Feldmann (CDU) ihn fort und betonte, dass Gärtner Haucap (ebenfalls CDU-Ratsmitglied) der Familie Drees doch Ausgleichsflächen zur Verfügung gestellt habe, die jedoch abgelehnt worden seien und implizierte damit, dass die Familie selbst Schuld an ihrer Misere sei.

Ratsherr Kanke wehrte sich gegen die Vorwürfe und wiederholte seine Kritik: Auch wenn von der aktuellen Planung keine direkten Flächen des Betriebes Drees betroffen seien – was er auch nicht behauptet hatte –, würden dessen Entwicklungsmöglichkeiten genommen, was langfristig aufs Gleiche herauskommen würde.

Ratsfrau Guyard (Grüne) unterstützte ihn, und verwies beispielsweise auf die „Schalltechnische Beurteilung“ aus dem B-Plan Nr. 150, S. 18, wo auch die südlichen Teilflächen 3 und 4 der Fläche 29.1 einbezogen worden seien. Die Bedrohung durch den Flächennutzungsplan sei also durchaus real. Außerdem würden durch „Zusatzkontingente“ erhebliche Lärmbelastungen entstehen, die eine Kategorisierung als „Industriegebiet“, und nicht wie jetzt geplant als „Gewerbegebiet“ nötig machen würden.

Schalltechnische Untersuchung Natberger Feld
B-Plan Nr. 150 der Gemeinde Bissendorf, Schalltechnische Beurteilung, S.18

Das Planungsbüro äußerte sich dazu, dass es ganz normal sei, immer alle Lärmquellen zu betrachten, auch potenzielle. Und die Lärm-Zusatzkontingente seien an „Richtungssektoren“ gebunden, Lärm dürfe also nur dahin abgestrahlt werden, wo er auf keine schützenswerten Wohnbebauung trifft, also Richtung Wald.

Die SPD stellte sich hinter ihren Ausschussvorsitzenden und schloss sich der Kritik an Ratsherrn Kanke an. Die Planung sei keine Mogelpackung, man habe schließlich die Fläche des Bebauungsplanes gegenüber dem Flächennutzungsplan halbiert, „… daran sollten wir weiter arbeiten“. (Was auch immer das heißen mag?) Auch Ratsherr Ochterbeck (FDP) äußerte, dass die Familie Drees halt keinen Anspruch auf günstige Pachtflächen habe, da stehe sie schlicht und einfach im Wettbewerb mit anderen Bietern.

 

Als Ergebnis wurde die Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 150 „Natberger Feld“ von allen Fraktionen außer den Grünen angenommen.

 

Bürgerfragen

In der anschließenden Bürgerfragestunde gab es dazu die Frage an den Ausschussvorsitzenden, ob er sich denn mit seiner Kritik über den Film direkt an die Familie Drees gewandt und sie nach ihrer Sicht der Dinge gefragt habe. Was er verneinte. Auf Nachfrage begründete er dies damit, dass die Familie Drees ihn ja auch nicht kontaktiert habe, sondern sofort an die Öffentlichkeit gegangen sei.

Die zweite Frage bezog sich auf den Flächenfraß (ca. 60 Hektar pro Tag in Deutschland) und was der Ausschussvorsitzende dagegen hier vor Ort zu machen gedenke. Ratsherr Schleibaum hatte dazu keine Idee, denn wenn er sie hätte, würde er „nicht hier sitzen“ (?).

 

Fazit

Es war alles sehr, sehr unerfreulich. Persönliche Angriffe statt sachlicher Auseinandersetzung. Das ist schade, denn es geht immerhin um die Zukunft des Dorfes, aber auch um die Zukunft der Familie Drees. Wobei beides im direkten Zusammenhang steht.

Betrachtet man das sachlich, wird schnell klar, dass die Gewerbeplanung im Natberger Feld die Existenz des landwirtschaftlichen Betriebes sehr wohl bedroht. Gerade in der Landwirtschaft findet ein umfassender Strukturwandel statt: Betriebe müssen erweitern oder aufgeben. Gab es in den 1960er Jahren noch fast 10 Betriebe in der Bauernschaft Natbergen, ist es heute nur noch einer: Der Hof Drees. Durch dessen Lage am Dorfrand besteht keine andere Möglichkeit zu erweitern, als in Richtung Natberger Feld. Wenn also ein neuer Stall gebaut werden muss, wäre das die einzige hofnahe Möglichkeit. Aufgrund der Gewerbeansiedlung würde aber diese Möglichkeit am Immissionsschutzrecht scheitern. Die Gewerbebetriebe hätten ein Anrecht darauf, nicht durch Gerüche belästigt zu werden, die notwendigerweise mit einem Tierstall verbunden sind, der Bau würde von den Behörden verweigert werden.

Aber Erweiterungen bzw. Modernisierungen sind für den Betrieb zwingend notwendig, weil sich die wirtschaftlichen Bedingungen und vor allem die gesetzlichen Auflagen ändern und z.B. Anbindeställe in der Diele in absehbarer Zeit nicht mehr geduldet werden.

Es geht also weniger um Pachtflächen auf dem freien Markt, wie es in der Diskussion dargestellt wurde, sondern tatsächlich um den Hof und dessen Erweiterungsmöglichkeiten. Wenn diese Erweiterungen nicht stattfinden, ist in wenigen Jahren Schluss!

Das nennt man „existenzbedrohend“.

Und wenn es dann in Natbergen keinen einzigen aktiven Landwirt mehr gibt, wie groß wird wohl das Interesse sein, landwirtschaftliche Flächen zu erhalten? Und wenn die südliche Teilfläche der Fläche 29.1 ebenfalls gewerblich genutzt wird, wäre dann endlich Schluss? Oder wird immer munter weiter erweitert? Und was bedeutet das für Natbergen und für Bissendorf?

Das hat die Mehrheit im Rat entweder nicht begriffen oder geflissentlich ignoriert.

Die Rechtfertigung des Ausschussvorsitzenden Schleibaum für seine öffentliche Kritik an der Familie Drees – sie habe schließlich angefangen – ist erschreckend niveaulos, außerdem ist sie falsch. Auf diversen Veranstaltungen zu dem Thema hat sich Christopher Drees mehrfach mit seiner Kritik an den Rat gewandt und auch formuliert, dass die Planung „existenzvernichtend“ für seinen elterlichen Betrieb sei. Und zur 45. Änderung des Flächennutzungsplanes hatte die Familie einen ausführlichen Einwand formuliert. Die Behauptung, die Familie habe sofort die Öffentlichkeit alarmiert, ist schlichtweg falsch!

Die vorgebrachte Kritik, die Gärtnerei Haucap habe Ersatzflächen angeboten, muss ebenfalls relativiert werden. Nach Aussage der Familie Drees handelt es sich um die Restfläche des Grundstücks, auf das die Gärtnerei verlagert werden soll. Diese Restfläche steht unter dem Vorbehalt weiterer Betriebserweiterungen, bietet also keine Planungssicherheit. Außerdem forderte Gärtner Haucap eine deutliche Erhöhung des vorherigen Pachtpreises. Dieser Preis gilt auch bei den anderen von ihm angebotenen Flächen, die sich allerdings nicht in seinem Eigentum befinden. Das sind Informationen, die dem Rat übrigens bereits mitgeteilt worden waren und die geprüft hätten werden können. Wenn man an Sachfragen interessiert gewesen wäre.

War man aber nicht.

 

Ausschnitt aus dem B-Plan Nr. 150 "Natberger Feld" der Gemeinde Bissendorf
Ausschnitt aus dem B-Plan Nr. 150 "Natberger Feld" der Gemeinde Bissendorf
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B-Plan Nr. 150 "Natberger Feld", zeichnerische Darstellung
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Zusammenstellung des B-Plans Nr. 150
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schriftliche Begründung des B-Plans Nr. 150
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Umweltbericht für den B-Plan Nr. 150
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Artenschutzbeitrag für den B-Plan Nr. 150
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Brutvogelerfassung für den B-Plan Nr. 150
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Fachbeitrag Fledermäuse für den B-Plan Nr. 150
07_Fachbeitrag_Fledermaeuse.pdf
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Altlastenuntersuchung B-Plan Nr. 150
08_Gefaehrdungsabschaetzung_Altablagerun
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Baugrunduntersuchungen für B-Plan Nr. 150
09_Hydrogeologisches_Gutachten.pdf
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Geruchsbelästigungsuntersuchung für B-Plan Nr. 150
10_Geruchsimmissionen.pdf
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Schalltechnische Untersuchung B-Plan Nr. 150
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Wasserwirtschaftliche Untersuchung B-Plan Nr. 150
12_Wasserwirtschaftliche_Vorplanung.pdf
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Verkehrsprognose B-Plan Nr. 150
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Abwägung eingegangener Einwände durch die Gemeinde Bissendorf
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Kommentare: 1
  • #1

    G.H. (Dienstag, 03 Dezember 2019 11:03)

    Wie man in den Wald hineinruft so schallt es heraus