Bericht über wichtige Ereignisse am 12. Dezember 2019
Am 12. Dezember 2019 gab es zwei wichtige politische Ereignisse:
- Die Briten gaben Premierminister Boris Johnson Auftrag, seinen Brexit durchzuziehen, um die quälenden Kontroversen darüber endlich zu beenden.
- Die Bissendorfer Ratsmitglieder gaben Bürgermeister Halfter den Auftrag, das Gewerbegebiet „Natberger Feld“ durchziehen, um die quälenden Kontroversen darüber endlich zu beenden.
Im Fall Brexit sind sich alle Kommentatoren einig, dass Johnsons Wahlsieg nicht das Ende der Kontroversen sein wird. Im Fall „Natberger Feld“ wird das vermutlich ebenfalls der Fall sein, denn nun steht die gerichtliche Prüfung des Projekts an. Die Bürgerinitiative hatte schon mehrmals angekündigt, diesen Weg gehen zu wollen und sich gute Chancen ausrechnet, da z.B. das vom Landkreis durchgeführte „Zielabweichungsverfahren“ noch nicht gerichtlich geprüft wurde. Nach der Veröffentlichung des Bebauungsplanes im Amtsblatt des Landkreises wird dieser Weg offen sein.
Zur Diskussion in der Bissendorfer Ratssitzung:
Bauamtsleiter Nagel wehrte sich gegen Kritik an der Veröffentlichung der Auslegung der Pläne und die damit verbundene Bürgerbeteiligung. Es sei alles korrekt gelaufen.
Der zuständige Planer erläuterte noch einmal den Stand der Dinge. Es seien in den letzten Tagen noch verspätete Bürgereinwände eingegangen, die aber nur dann berücksichtigt werden müssten, „wenn sich der planenden Stelle die Tatsache dieser Betroffenheit aufdrängen musste“. Das sei hier zwar nicht der Fall, die Einwände seien aber trotzdem bearbeitet worden.
Laut Planer entsprechen die Bürgereinwände im Großen und Ganzen den Einwänden, die bereits zur 45. Änderung des Flächennutzungsplanes eingegangen sind. Daher seien sie entsprechend abgewogen worden. Die Planung entspreche dem Gemeindeentwicklungsplan, der Landkreis habe keine Bedenken, alles sei im rechtlichen Rahmen, der landwirtschaftliche Betrieb der Familie Drees sei nicht betroffen.
Ratsherr Kanke (Grüne) warf einen umfassenden Blick auf die lange Geschichte des Konfliktes und monierte, dass suggestiv und unsachlich argumentiert werde, z.B. bei den erwarteten Gewerbesteuereinnahmen. Im Finanzausschuss sei vorgetragen worden, dass Bissendorf kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem habe, die Planung also gar nicht zur Lösung beitrage, wie immer behauptet werde. Oder der Shitstorm gegenüber seinem Ratskollegen Korte, weil der angekündigt hatte, dass die BI das Recht auf eine gerichtliche Überprüfung in Anspruch nehmen wolle. Auch zitierte er aus der Rede des Ratsherrn Schleibaum (SPD) auf der berühmten Bissendorfer Ratssitzung am 25. Februar 2010, wo sich Schleibaum vehement gegen eine Bebauung des Natberger Felds positioniert hatte. Seitdem habe der Konflikt die Gemeinde gespalten. Kanke wolle „Anwalt der Natur“ sein und eine gewerbliche Nutzung an dieser Stelle verhindern, „weil sie dort nicht hingehört“. Er endete mit den Worten: „Es lebe der Widerstand!“
Was Bürgermeister Halfter aufgeregt mit den Worten kommentierte, dass ihm die Worte fehlen würden. Das sei „das Schlimmste“, was er je gehört habe, das sei bedenklich und undemokratisch. Er dagegen sei Demokrat und würde akzeptieren, wenn er verloren habe, sein Handeln sei allgemeinwohlorientiert, die Gemeinde sei keineswegs gespalten, das würde er spüren, denn er habe Kontakt mit vielen Bürgern. Wenn Ratsherr Kanke zum Widerstand aufrufe, sei er ein schlechter Verlierer.
Auch Ratsherr Schleibaum protestierte: Es sei 2010 um die Ansiedlung der Spedition Koch gegangen, damals sei es richtig gewesen, dagegen zu sein. Heute sei es richtig, dafür zu sein, weil eine Spedition ausdrücklich ausgeschlossen werde. Er zitierte seinerseits aus der Homepage der BI „Schönes Natbergen“, die 2009 ein Bürgerbegehren gefordert habe, sie das Ergebnis aber nicht akzeptiert hätte als 2013 dann eine Bürgerbefragung gekommen sei, weil es den Wünschen der BI nicht entspreche.
Und auch Ratsfrau Feil (FDP) protestierte, die Rede von Kanke sei „unverschämt“.
Ratsfrau Guyard (Grüne) hingegen unterstützte Kankes Position, die Gemeinde sei sehr wohl gespalten, wie man ja auch an der Reaktion im Rat sehen könne, es seien heute lediglich Argumente gegen die Person Kankes vorgebracht worden, keine sachlichen. Das sei typisch für die Diskussion und in der Vergangenheit immer schon so gewesen, es sei keine sachliche Diskussion geführt worden, denn es gebe keine sachlichen Argumente für das Gewerbegebiet.
Ratsherr Heckmann (UWB) hingegen argumentierte ausgesprochen sachlich. Der landwirtschaftliche Betrieb der Familie Drees sei sehr wohl betroffen, selbst wenn keine Flächen überplant werden, die die Familie aktuell bearbeite. Durch die Planung würden landwirtschaftliche Flächen verschwinden, der Markt werde kleiner, die Pachtpreise würden steigen. Kompensationsmaßnahmen verstärken das Problem weiter. Die geplante Höchstspannungstrasse und das geplante Sondergebiet für eine Gärtnerei in Natbergen ebenfalls. In Kumulation betrachtet sei das durchaus existenzbedrohend für die Familie. Vor dem Hintergrund der landwirtschaftlichen Entwicklung, der Klimakrise und der Entwicklung des Dorfes sei es aber von großer Bedeutung, den Betrieb zu erhalten. Er werde gegen die Planung stimmen.
Ratsherr Lier (SPD) zitierte Rosa Luxemburg: „Freiheit ist immer Freiheit des Andersdenkenden“ und betonte, man könne zwar über unterschiedliche Auffassungen streiten, müsse aber anerkennen, wenn man verloren habe. Der Rat sei doch immer harmonisch miteinander umgegangen, diese Harmonie solle nicht ausgerechnet auf der letzten Sitzung im Jahr gestört werden.
Bürgermeister Halfter reagierte auf die Argumentation Heckmanns und betonte, dass das Schicksal der Familie Drees auch an ihm nicht spurlos vorbei gehen würde. Man sei „im Gespräch“ um über das Schicksal der Familie Drees zu verhandeln, die Niedersächsische Landgesellschaft (NLG) würde Flächen anbieten. Er gab der Versammlung die Abschussworte mit auf den Weg: „Es gibt Angebote, die müssen jetzt auch angenommen werden!“
Wir möchten die Stellungnahmen kurz kommentieren:
Zu Bauamtsleiter Nagel: Er behauptete, es sei alles korrekt gelaufen, ging aber nicht darauf ein, warum denn keine Bürgereinwände eingegangen sind, einen Nachweis über die korrekte Veröffentlichung legte er auch nicht vor.
Zum Planer: Die Berücksichtigung von Bürgereinwänden als „Goodwill-Aktion“ darzustellen, verrät viel über die Bereitschaft zur Öffentlichkeitsbeteiligung von Planer und Verwaltung. Denn natürlich muss sich Skepsis „aufdrängen“, wenn in einem Verfahren, über das seit über 11 Jahren erbittert gestritten wird, ausgerechnet in dem wichtigsten Verfahrensschritt plötzlich keinerlei Bürgereinwände hereinkommen.
Tatsächlich ist das Vorhaben „Natberger Feld“ hoch umstritten. Die Abwägungen erfolgten pauschal im Sinne der Gewerbeentwicklung, sie könnten (unserer Meinung nach: müssten) auch ganz anders ausfallen. Beispielsweise sieht der Gemeindeentwicklungsplan eine Bündelung der Gewerbeansiedlung an einer Stelle vor. Gewerbe wurde in Bissendorf in den letzten Jahren aber an allen möglichen und unmöglichen Stellen angesiedelt. Falls diese Bündelung in Zukunft in Natbergen erfolgen solle, würde das mit der Aussage kollidieren, den landwirtschaftlichen Betrieb der Familie Drees erhalten zu wollen.
Zu Kanke und Guyard: Wir stimmen ihnen vollumfänglich zu. Die Gemeinde ist geteilt, die Diskussion ist unsachlich, viele Bürger haben „die Schnauze voll“ und das Gefühl, machtlos einer unheiligen Allianz aus Politik und Wirtschaft gegenüber zu stehen. Bürgerinteressen werden lediglich im gesetzlich vorgeschriebenen Mindestumfang behandelt, aber nicht wirklich ernst genommen. Wirtschaftliche Interessen hingegen werden emporgehoben und mit scheinheiligen Argumenten durchgesetzt. Gegner des Projekts werden verunglimpft.
Zum Bürgermeister: Seine Selbsteinschätzung als lupenreiner Demokrat möchten wir gerne mit seiner Aussage konfrontieren: „Es gibt Angebote, die müssen jetzt auch angenommen werden!“ Sollte das eine Drohung sein?
Zu Ratsherr Schleibaum: Seine damalige Rede war wirklich beachtlich, Herr Schleibaum hat sie zur Verfügung gestellt, wir empfehlen die Lektüre sehr. Darin werden die Folgen der gewerblichen Nutzung des Natberger Felds in düsteren Farben geschildert. In erster Linie geht es zwar um die Spedition Koch, aber nicht nur, es geht auch darum, mit welchen fiesen Tricks um das Gewerbegebiet „Natberger Feld“ gerungen wird. Seine jetzige Distanzierung klingt da ein wenig seltsam, das Ringen und die Tricksereien haben ja nicht aufgehört.
Herr Schleibaum scheint geahnt zu haben, dass seine Rede auftauchen wird und hat seinerseits nach Munition gesucht. Mit dem Vorwurf, die Bürgerinitiative würde sich eine Pipi-Langstrumpf-Welt basteln und eine Bürgerbefragung fordern, sie aber ablehnen, wenn ihr das Ergebnis nicht gefalle, greift er selber in die Diffamierungskiste. Dass zwischen Forderung und Durchführung die von Schleibaum selbst als „geschickt eingefädelter“ Schachzug bezeichnete Instrumentalisierung der Fa. Solarlux lag, die Diffamierung der Bürgerinitiative bzw. ihres Sprechers und eine bewusst vage Formulierung der Befragung berücksichtigt er leider nicht.
Zu Ratsherr Heckmann: Endlich einmal eine mit wohltuender Sachlichkeit dargestellte Betrachtung der Angelegenheit aus der Perspektive der immer stärker und von allen Seiten bedrängten Landwirtschaft heraus.
Zu Ratsherr Lier: Das wirklich sehr schöne Rosa-Luxemburg-Zitat verstand er leider nicht als Selbstverpflichtung, wie es Rosa Luxemburg gemeint hatte, sondern bezog es auf seine Gegner, die doch endlich mit ihrem Protest aufhören sollen. Harmonie? Haben wir in den letzten 11 Jahren eher nicht gesehen. Respektvoller Umgang? Fehlanzeige. Die Mehrheit des Bissendorfer Rats hat immer auf die Projektgegner eingehackt und wenn sie sich wehrten Krokodilstränen geweint.
Fazit: Der Bebauungsplan Nr. 150 „Natberger Feld“ wurde mit 6 Gegenstimmen (UWB, Grüne) von der Mehrheit aus CDU, SPD und FDP angenommen.
Unterlagen zum B-Plan Nr. 150 "Natberger Feld" finden Sie hier.
Kommentar schreiben
Jessie Stone (Donnerstag, 19 Dezember 2019 11:45)
Mit dem Kopf durch die Wand.
Nicht ein einziges sachliches Argument wurde von den Gewerbefreunden vorgebracht. Nur die stereotypische Wiederholung, dass man die Flächen unbedingt braucht.
Zwei sachliche Argumente wurden von den Gewerbegegnern vorgebracht: Landwirtschaft und Raumplanung.
Aber sachliche Argumente spielten in diese Angelegenheit nie eine Rolle. Schon bei der Spedition Koch nicht. Die Mehrheit im Rat will ganz einfach Recht haben und die Scharte auswetzen, die sie durch die Spedition Koch bekommen haben.
Die Ratssitzung war kein Ruhmesblatt für die Kommunalpolitik!